Pressemitteilung vom 07.04.2020

Münchner Einrichtungen und Initiativen fordern:

Professionelle Schutzkleidung sicherstellen, steuerfreier Bonus für Krankenhausbeschäftigte und alle Pflegeeinrichtungen, Kommunale Daseinsvorsorge neu überdenken, alle Bürger gleichbehandeln, Notfallversorgung ausbauen!

Wir, Bürger-Initiativen in München, weisen nachdrücklich darauf hin: Immer noch sind viele Kliniken, Seniorenheime, ambulante Pflegedienste und Arztpraxen nicht ausreichend mit Schutzkleidung und Schutzmasken ausgestattet, auch in Bayern, auch in München!

Viele Beschäftigte im Gesundheitswesen sind mittlerweile auch in Deutschland mit der Infektionserkrankung Covid 19 infiziert und teilweise sehr schwer erkrankt. Laut Angaben des Robert-Koch-Instituts haben sich in Deutschland bereits Tausende Pflegerinnen und Pfleger, Ärztinnen und Ärzte infiziert. Untersuchungen zeigen, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen, die Covid 19- Erkrankte versorgen, einer besonders hohen Ansteckungsgefahr ausgesetzt sind. Wesentlicher Grund dafür ist die extreme Mangelsituation an persönlicher Schutzausrüstung (Mundschutze bzw. FFPMasken, Schutzkittel, Einmalhandschuhe). In Italien sind 120 Ärztinnen, Ärzte und Pflegekräfte an der Krankheit verstorben, in Großbritannien sind 25 % der Beschäftigten im Gesundheitswesen erkrankt. Was nützen Beatmungsgeräte und Intensivbetten, wenn kompetentes Personal fehlt? Das Erkrankungsrisiko für das medizinisch-pflegerische Personal steigt zusätzlich, wenn überlange Arbeitszeiten ohne Pausen verlangt werden, wie es heute in vielen Kliniken der Fall ist.

Alle packen an, um Patientinnen und Patienten so gut wie möglich zu versorgen. Infolge des Pflege-Notstands besteht jedoch ein großer Mangel an Pflegekräften in allen Bereichen, in den Klinken, in der ambulanten Pflege und in den Seniorenheimen. Das macht es zusätzlich schwer, hygienische Vorgaben jederzeit einzuhalten.

Deshalb ist es absolut vorrangig, das medizinisch-pflegerische Personal gut mit Schutzausrüstung auszustatten, und die Arbeitszeiten soweit wie möglich zu beschränken. Die rasche Ausbreitung der Corona-Infektionen in Seniorenheimen und Kliniken zeigen die Dringlichkeit!

Wir unterstützen deshalb die gewerkschaftlichen Forderungen nach einem steuerfreien Bonus von 500 €/ Monat für alle Krankenhausbeschäftigten und entsprechende Forderungen für die Beschäftigten in Pflegeheimen und der ambulanten Pflege.

Deutschland ist im internationalen Vergleich gut mit Krankenhausbetten und Intensiveinheiten ausgestattet. In Deutschland stehen pro 100.000 Einwohner 33,9 Intensivbetten zur Verfügung, in Italien 8,6 Intensivbetten2. Deshalb können Erkrankte hier darauf hoffen, dass sie im Notfall auch auf Intensivstationen versorgt werden können. Seit vielen Jahren wurde von Beratungsunternehmen, verschiedenen Politikern auch in München, die Schließung der angeblichen „Überkapazitäten der Krankenhäuser“ gefordert.

Nur infolge des Engagements von Bürger-Initiativen und den Protesten der Beschäftigten wurdedas Konzept der Boston Consulting Group 2015 nicht komplett umgesetzt und die Notfallversorgung per Stadtratsbeschluss in allen Städtischen Kliniken aufrechterhalten.

Die München-Klinik Schwabing, über deren Behandlungserfolge von Corona-Patienten bundesweit berichtet wird, sollte damals bis auf die Kinder-Klinik komplett geschlossen werden.

Trotz zunehmender Überfüllung der Notfallzentren Münchens in den letzten Jahren sollten noch im Februar 2020 Planbetten, die für die Notfallversorgung wichtig sind, in den München-Kliniken Schwabing und Harlaching gestrichen werden. Eine entsprechende Beschlussvorlage für Schwabing lag für den 19.2.2020 für den Stadtrat vor. Der Seniorenbeirat der Stadt München hatte dagegen mit einem einstimmigen Beschluss protestiert.

In allen diesen Diskussionen wurde bisher nie berücksichtigt, dass die bauliche Struktur des Schwabinger und Harlachinger Krankenhauses mit dem Pavillonsystem und dem direkten Zugang zu den einzelnen Häusern für die Versorgung infektiöser Patientinnen und Patienten besonders geeignet sind.

Wir fordern deshalb schon jetzt, dass der neugewählte Stadtrat für diese und künftige Pandemien ausreichend Vorsorge trifft und die medizinische Notfallversorgung in München sicherstellt.

Diese Pandemie und ihre sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen trifft einige Gruppen der Bevölkerung ganz besonders drastisch: Senior*innen, Menschen mit vielfältigen schweren Vorerkrankungen, Menschen mit Behinderungen, Menschen mit geringem Einkommen, Menschen ohne Wohnung, kinderreiche Familien und vor allem Flüchtlinge. Viele gehören zu den sogenannten Risikogruppen, viele sind aufgrund ihrer beengten Wohnverhältnisse besonders von Ansteckung bedroht und leiden sehr unter den Folgen der Ausgangsbeschränkungen, unter wirtschaftlicher Not, Einsamkeit und Stress. Viele Hilfsangebote und Kontaktmöglichkeiten, wie zum Beispiel die Angebote der Alten- und Service-Zentren, sind derzeit geschlossen und stehen nur sehr eingeschränkt zur Verfügung. Die rigide Überwachung und Durchsetzung der Ausgangsbeschränkungen und des Kontaktverbots, die Schließung der Sportangebote betrifft Menschen, die weder Garten noch Balkon haben, besonders hart. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in München 50 % der Bevölkerung als Singles leben.

Erfreulicherweise gibt es bereits viele private Initiativen, Einkaufshilfen, Beratungs- und karitative Angebote.

Wir möchten an alle appellieren, ob Privatpersonen, Organisationen oder staatliche Einrichtungen, diese Bevölkerungsgruppen besonders zu unterstützen! Dringende Kontakte müssen unter den erforderlichen Schutzvorkehrungen ermöglicht werden!

München ist eine Stadt, in der viele Menschen Engagement und Kreativität gezeigt haben. Jetztkönnen wir das erneut beweisen! Halten wir zusammen! Lassen wir niemanden allein!

Peter Friemelt, Gesundheitsladen München, peter.friemelt@gl-m.de

Ben Pulz, Gewerkschaftssekretär Gesundheitswesen, ben.pulz@verdi.de

Dr. Ingrid Seyfarth-Metzger, Seniorenbeirätin, Landeshauptstadt München, Bürger für unser Münchner Stadtklinikum, seyfarth-metzger.sb@gmx.de

1)  Süddeutsche Zeitung 3.4.2020
2)  Laut statistischem Bundesamt Destatis

Pressekontakt Seniorenbeirat:

Kathrin Schirmer
Kathrin Schirmer | Kommunikation
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